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Gefährdungsbeurteilung Berrierefreiheit

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Gefährdungsbeurteilung zum Thema „Barrierefreiheit“

Gefährdungsbeurteilung zum Thema „Barrierefreiheit“

Der Begriff „Barrierefreiheit“ bezieht sich auf die Gestaltung von Arbeitsstätten, Gebäuden und öffentlichen sowie betrieblichen Bereichen so, dass Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten sie gleichberechtigt und eigenständig nutzen können. Aus Arbeitsschutz- und Inklusionsperspektive stellt sich dabei die Frage, ob und warum auch für den Aspekt „Barrierefreiheit“ eine Gefährdungsbeurteilung (GBU) notwendig ist. Ja, eine Gefährdungsbeurteilung, die Barrierefreiheit explizit berücksichtigt, ist notwendig, um Beschäftigte mit Behinderungen und sonstigen Einschränkungen optimal in den Arbeitsalltag einzubinden und Diskriminierungsrisiken zu vermeiden. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein zentrales Instrument, um möglichst frühzeitig bauliche, technische und organisatorische Mängel zu erkennen und Maßnahmen festzulegen. Sie fördert die Selbstbestimmung betroffener Personen, sichert deren Gesundheit und trägt dazu bei, die gesetzlichen Inklusionsanforderungen zu erfüllen.

„Barrierefreiheit“ ist nicht nur ein rechtlicher und ethischer Anspruch, sondern auch Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung. Gemäß ArbSchG, ArbStättV und SGB IX müssen Arbeitgeber die Bedürfnisse von Beschäftigten (und ggf. Besucher:innen) mit Behinderungen berücksichtigen und bauliche, technische und organisatorische Lösungen finden, um Gefährdungen zu vermeiden und Chancengleichheit zu gewährleisten. Dies erfolgt systematisch durch eine GBU, in der Barrieren identifiziert, Maßnahmen definiert und deren Wirksamkeit überprüft werden. So entsteht eine sichere, gesunde und inklusive Arbeitsumgebung – ein Gewinn für alle Beteiligten.

Hintergrund der Betriebsverlegung

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

  • § 5 ArbSchG verpflichtet alle Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung für alle Tätigkeiten und Arbeitsbereiche durchzuführen. Dabei müssen individuelle Bedürfnisse und Gefährdungen berücksichtigt werden, die sich unter anderem bei Vorliegen einer Behinderung ergeben können.

  • Auch die psychische Komponente (z. B. Stress durch ständige Hilfeersuchen, mangelnde Selbständigkeit bei fehlender Barrierefreiheit) ist seit der Novellierung 2013 Bestandteil der GBU.

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

  • Die ArbStättV und ihre Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben Vorgaben für eine menschengerechte Gestaltung von Arbeitsstätten, Zugängen und Fluchtwegen.

  • § 3 ArbStättV (Gefährdungsbeurteilung): Arbeitgeber sind verpflichtet, bei der Gestaltung der Arbeitsstätten die besonderen Belange von Beschäftigten mit Behinderungen zu berücksichtigen.

  • Anhang ArbStättV Ziffer 1.8 „Barrierefreie Gestaltung“: Soweit Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden (oder beschäftigt werden sollen), müssen Arbeitsräume und Verkehrswege in geeigneter Weise barrierefrei sein.

Sozialgesetzbuch (SGB) IX

  • Das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) enthält Vorgaben zur Teilhabe am Arbeitsleben und schreibt vor, dass Arbeitsplätze von (schwer)behinderten Menschen so eingerichtet werden sollen, dass sie ihre Tätigkeit möglichst selbstständig und eigenverantwortlich ausüben können.

Gleichstellungsgesetze und Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)

  • Das BGG definiert in § 4 den Begriff der Barrierefreiheit: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen ... wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“

  • Für die Privatwirtschaft gibt es zwar nicht überall eine generelle Pflicht, aber im Kontext von Beschäftigung und Arbeitsschutz ist dies dennoch maßgeblich, wenn Menschen mit Behinderungen dort arbeiten (oder arbeiten sollen).

UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

  • Deutschland hat die UN-BRK ratifiziert. Sie verpflichtet Staaten, auch Arbeitsumgebungen barrierefrei zu gestalten und Diskriminierungen abzubauen.

DIN 18040-Reihe („Barrierefreies Bauen“):

  • DIN 18040-1: Öffentlich zugängige Gebäude.

  • DIN 18040-2: Wohnungen.

  • DIN 18040-3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum.

  • Während sich diese Normen formal vor allem an öffentliche Gebäude und Wohnbau richten, können sie auch als Planungsgrundlage herangezogen werden, um betriebliche Bereiche barrierefrei zu gestalten.

Individuelle Gefährdungen

  • Beschäftigte mit körperlichen Einschränkungen (z. B. Rollstuhlfahrende, Personen mit Hör- oder Sehbehinderung) können zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein, wenn Zugänge, Fluchtwege oder Arbeitsmittel nicht an ihre Bedürfnisse angepasst sind.

  • Beispielsweise können unzugängliche Notausgänge für Rollstuhlfahrende lebensgefährlich werden. Fehlende oder unzureichende visuelle/auditive Signale stellen ein Sicherheitsrisiko dar für Hör- oder Sehbehinderte.

Rechtspflicht des Arbeitgebers

  • Nach § 3 ArbStättV in Verbindung mit dem Anhang zur ArbStättV sind barrierefreie Anpassungen vorzunehmen, sobald Beschäftigte mit entsprechender Einschränkung tätig sind oder dies absehbar ist (z. B. Neueinstellungen, Inklusionsvereinbarungen).

  • Das SGB IX schreibt vor, dass Arbeitsplätze, an denen (schwer)behinderte Menschen beschäftigt werden, so gestaltet sein müssen, dass sie ihren Fähigkeiten entsprechen.

Vermeidung von Diskriminierung

  • Im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kann es als Diskriminierung gewertet werden, wenn Menschen mit Behinderungen keinen gleichberechtigten Zugang zu Räumlichkeiten haben oder ihre Arbeit nicht barrierefrei ausüben können.

  • Die GBU hilft, solche strukturellen Benachteiligungen zu erkennen und zu beseitigen.

Förderung von Selbstbestimmung und Inklusion

  • Eine barrierefreie Gestaltung verbessert die Selbstständigkeit und Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten mit Handicap, fördert deren gleichberechtigte Teilhabe und steigert gleichzeitig das Arbeitgeber-Image.

Psychische Belastungen

  • Für Betroffene kann mangelnde Barrierefreiheit zu ständiger Hilfeabhängigkeit und daraus resultierendem Stress führen. Umgekehrt können Vorgesetzte oder Kolleg:innen unter Druck geraten, wenn sie regelmäßig Hilfestellung leisten müssen, anstatt ihren eigentlichen Aufgaben nachzugehen.

  • Die Einbeziehung barrierefreier Aspekte in die GBU trägt somit auch zur Reduzierung psychischer Belastungen bei.

Zugänge und Verkehrswege

  • Haupteingang: Stufen, Rampen, Türen (Breite, Schließmechanismen, Türdrücker-Höhe).

  • Flure, Treppenhäuser, Aufzüge: Kennzeichnung von Stufen, Handläufe, Tasterhöhe am Aufzug, akustische/visuelle Signale.

  • Sanitärbereiche: Größe der Kabinen, Haltegriffe, Notrufeinrichtungen.

Flucht- und Rettungswege

  • Barrierefreie Notausgänge (keine Schwellen, Notrampen, taktile Leitstreifen).

  • Untertitelte/visuelle Alarmierungen für hörbehinderte Personen, Vibrationsalarm.

  • Brailleschrift/taktile Beschilderungen für sehbehinderte Menschen.

Arbeitsräume und -mittel

  • Arbeitsplätze (Höhenverstellbarkeit von Tisch und Stuhl, ausreichende Bewegungsfläche für Rollstuhlfahrende).

  • Bedienelemente von Maschinen (Erreichbarkeit, taktiles Feedback, Schriftgröße).

  • Bildschirmarbeitsplätze (Software-Anpassungen, Vergrößerung, Screenreader für Sehbehinderte, alternative Eingabegeräte).

Leit- und Orientierungssysteme

  • Auf dem Betriebsgelände (Beschilderung, Piktogramme, Kontraste, Leitstreifen) für blinde oder sehbehinderte Personen.

  • Barrierefreie Kennzeichnung von Toiletten, Besprechungsräumen, Kantinen, Fluchtwegen.

Kommunikation und Information

  • Schriftstücke in leichter Sprache, barrierefreie Dokumente (PDF/Word mit Screenreader-Funktion), Gebärdensprachdolmetscher bei Schulungen oder wichtigen Meetings.

  • Unterweisungen zum Arbeitsschutz (z. B. Evakuierungsplan) in Formaten, die für alle verständlich sind

Festlegen des Geltungsbereichs und Identifikation betroffener Personen

  • Ermittlung, ob im Betrieb (schwer)behinderte Menschen oder Personen mit temporären Einschränkungen (z. B. Schwangerschaft, Rekonvaleszenz) tätig sind oder sein werden.

  • Berücksichtigung möglicher Besucher:innen/Kund:innen mit Handicap.

Erfassen der Ist-Situation

  • Begehung und Bestandsaufnahme: Zugänge, Fluchtwege, Arbeitsplätze, Sanitärbereiche, Kommunikationsmittel, Beschilderung.

  • Ggf. Einbeziehung externer Expertise (z. B. Fachplaner für Barrierefreiheit, Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt).

Bewertung der Gefährdungen bzw. Barrieren

  • Welche Barrieren können zu konkreten Gefährdungen oder Benachteiligungen führen?

  • Inwieweit sind Anpassungen sofort notwendig, wo gibt es Pragmatismen und Prioritäten?

Maßnahmenplanung und Umsetzung

  • Technische Maßnahmen: Rampen statt Stufen, breitere Türen, akustische Warnsysteme, Aufzüge mit taktiler Beschriftung.

  • Organisatorische Maßnahmen: Schaffung barrierefreier Dokumentation, spezielle Unterweisungen, Evakuierungskonzepte für Rollstuhlfahrende.

  • Personelle Maßnahmen: Schulung von Führungskräften und Kolleg:innen zu inklusivem Verhalten, Umgang mit spezifischen Einschränkungen.

Dokumentation

  • Dokumentation der Ergebnisse nach § 6 ArbSchG: Welche Barrieren wurden festgestellt, welche Maßnahmen beschlossen, welche Fristen gesetzt?

  • Fortschreibung bei baulichen Veränderungen, Neueinstellungen oder Erkenntnissen aus dem Alltag.

Wirksamkeitskontrolle und Fortschreibung

  • Regelmäßige Überprüfung, ob die getroffenen Maßnahmen noch ausreichen und ob neue Barrieren entstanden sind (z. B. Umbaumaßnahmen, neue Maschinen).

  • Einbindung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung oder anderer Gremien (z. B. Personalrat im öffentlichen Dienst).